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Es gibt weder Meister noch Schüler.

In Wirklichkeit gibt es weder Meister noch Schüler.
Es gibt   nur Menschen.  
Entweder sie träumen, oder sie sind wach.
(Veden)

Es gibt keinen Weg, und doch gehen wir ihn, denn wir glauben, ein »Ich« zu sein, eine Persönlichkeit. Da wir diese Persönlichkeit in einer sehr spezifischen Art und Weise erleben, identifizieren wir uns mit ihr. So entsteht ein »Ego«, dass uns durch diese Welt begleitet. Aber nicht nur das geschieht, denn durch die Bewusstwerdung eines »Ich« glauben wir zu wissen, dass es eine Trennung gibt, durch die sich dieses »Ich« von allem anderen Erfahrbaren unterscheidet. Ergo glauben wir zwangsläufig auch daran, dass es einen von uns getrennten Gott geben müsse und daher auch einen Weg zu ihm, der sich außerhalb des »eigenen Ichs« befindet. Das »ich« hat Gott nach außerhalb verpflanzt und ist davon überzeugt, zu ihm zurück zu müssen. Es gibt daher eine Sehnsucht in uns, die uns antreibt, das Gefühl der Getrenntheit zu überwinden. Dieser Antrieb lässt uns alles tun, diesen »Gott« zu suchen. Er ist der Motor, der uns ihm näher bringt. Wenn wir uns von dieser Sehnsucht nach Verbundenheit leiten lassen, so wird uns das ganz von selbst in die richtige Richtung führen.  Die Erlösung vom Gefühl der Getrenntheit bringt die Situationen und Erfahrungen hervor, die uns eines Tages, etwas bewusst werden lassen. Wir werden erfahren, dass der gesuchte »Gott« schon immer in uns gewohnt hat und gar nicht gesucht werden musste. Er ist schon immer in uns gewesen. Nur unser eigenes Verständnis von uns selbst hat es bis zu jenem Augenblick unmöglich gemacht, es zu begreifen. Dieser Weg der Sehnsucht führt nach innen und öffnet dort Pforten, von denen wir nicht einmal träumten. Es ist völlig gleich-gültig, welcher Lehre, Schule, Religion, Philosophie oder Methode wir folgen, denn all dies ist nicht wichtig. Nur die Tatsache, dass uns eines Tages unsere eigene Ohnmacht bewusst wird lässt den großen Zweifel verfliegen. Wenn wir begreifen, dass die Macht des »Ego« die Ursache für die ewige Sehnsucht ist, lassen wir das Letzte los. Die Erkenntnis um die eigene Ohnmacht bringt uns um alle Kräfte, so dass wir letztlich auch die Suche loslassen und uns einfach nur noch dem Leben hingeben.

Im völligen Aufgeben öffnet sich dann die letzte Pforte, die wir physisch mit der Herzgegend in Verbindung bringen. Springt diese letzte Pforte auf, fließt ein tiefer Frieden in uns ein. Es ist kein Geschenk von »Irgendwem«, sondern es öffnet sich für einen Augenblick die Wirklichkeit des Geistes, der wir sind und wir fühlen das Zuhause, in dem wir alle beheimatet sind. Dieses Aufblitzen lässt Körper, Seele und Geist zusammenfließen. Der abstrakte Gott und der konkrete Mensch verschmelzen darin zu einer einzigen Erfahrung. Das ist alles nicht spektakulär, sehr leise, ohne Glockenklingen und Heiligkeit, denn es offenbart sich darin das existentielle Menschsein. Was dann aufscheint ist nicht neu. Es ist etwas Altbekanntes - so alt wie wir selbst: Im Innern verschiebt sich etwas und die Folge davon ist eine, sich selbst neu ordnende Sicht auf die Welt, auf die eigene Existenz und auf das eigene Erleben. Schmerzlos, schnörkellos, befreiend und kompromisslos.

Man kann Jahrzehnte meditieren, beten, Tantra und Askese üben - egal ob mit Meditation, Esoterik, Yoga, den Veden oder in einer der reichlich vorhandenen religiösen Philosophien. Es ist sogar egal, ob man es als den persönlich richtigen Weg empfindet. Nur die Kraft der Sehn-Suche zählt. Diese Kraft der Suche lässt uns von einem Irrtum zum nächsten wandern und dabei immer mehr Erfahrungen machen. Und der größte Fehler dabei wäre, bei irgendeiner spirituellen Erfahrung zu glauben, man hätte »ES« jetzt. Einige Zeit später wird man erfahren: Alles, was man erlebt - erhebende Spiritualität, heilige Gefühle, Glückseligkeit, Göttlichkeit, Trauer, Schmerz, tiefe Liebe, abgründigen Hass, Gewalt, Aggression - es kommt und es vergeht auch wieder. Dabei muss man nur verstehen, dass alles, was vergeht oder sich verwandelt, keine tatsächliche Wirklichkeit hat. Die Wirklichkeit ist unvergänglich, unwandelbar und unantastbar. Alles andere ist ein Produkt unserer menschlichen Persönlichkeit, die von einem Ego angetrieben wird.

Wir klammern uns in unserer Verständnisnot an alles, was dazu geeignet erscheint diese Erfahrungen in unser Ego-Kleid hinein zu flechten, ein Konzept daraus zu machen. Doch in einem Konzept ist diese »Wirklichkeit« nicht zu finden. Jeder spirituelle Weg beginnt tatsächlich im Traum von der Trennung. Ein Traum von einer selbstständigen, separaten Existenz, der das Ziel hat, selbst einmal »Gott« zu sein. Dieser Traum von einer eigenständigen Persönlichkeit liefert uns den Kontext vom Leben in einer Welt aus separat voneinander existierenden Dingen. Doch es ist möglich die Suche zu beenden, und einen inneren Frieden zu finden, der unabhängig von den äußeren Umständen ist. Der Preis dafür ist die Aufgabe aller Konzepte und allen Wissens. Alle Konstrukte, auch die spirituellen, müssen losgelassen werden. 

Auf diesem Weg kommt keine Heiligkeit auf dich zu, sondern Klarheit ohne Schnörkel. Keine ewige Glückseligkeit, sondern ein Leben im Mitschwingen des Jetzt. Das ist mal schön und mal schlecht, mal ist es ekstatisch und mal voller Leid. Doch es ist ein Leben in innerer Freiheit und in tiefem Frieden. Ein Gefühl, Zuhause angekommen zu sein.

 

Rumi sagte es viel kürzer:

Nachjagen will ich dem Geliebten Mit all meiner Leidenschaft und Kraft, 

Bis ich erkenne: Es hat keinen Sinn, nach Ihm zu suchen. 

Doch wie könnte ich Ihn nahe bei mir wissen, 

Ohne die ganze Welt zu durchwandern? 

Wie könnte ich sein Hier-Sein je erfassen, 

Ohne mich ganz woandershin zu wagen? 

Gott hat uns gesagt, dass Er bei uns ist, 

Aber das Herz versiegelt hat, 

So dass er dies nur langsam, 

Auf Umwegen, begreifen kann. 

Bist du erst lang und weit genug gewandert 

Und hast alles getan, was der Weg verlangte, 

Wird das Herz entsiegelt. 

Dann sagst du dir verblüfft: »Hätt ich gewusst, 

Dass ich schon immer Gott so nah war, 

Wie hätte ich nach Ihm suchen können?

Doch dieses Wissen kam dir durch die Fremde: 

Scharfsinn allein hätt's nie erringen können.

(Dschalal ad-Din Rumi )

 

alles liebe

Joan