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Kontemplation

Kontemplation
oder die gegenstandslose Meditation,

bringt uns in die Haltung des offenen Gewahrseins.  Durch Aufmerksamkeit und  Achtsamkeit kommen wir wieder zu uns. Wir erkennen, dass alles ein Produkt des Bewusstseins ist, an dem wir mehr oder weniger teilhaben. Je mehr wir das erkennen, desto besser können wir unsere Umwelt in ihrem "wie sie ist" annehmen.

Wir beginnen zu begreifen, dass es keine Wertunterschiede zwischen dem Heiligen, dem Kriminellen, dem  Arzt und dem Arbeiter  gibt.

Alles und jeder ist  in  jedem Augenblick der Ausdruck des wirkenden Geistes und dieser Geist hält es in seiner unergründlichen Intelligenz für richtig, alles so sein zu lassen, wie es gerade ist. Wir lernen, dass Meditation überall ist. Sie klingt in der Auto Hupe ebenso, wie in der Klangschale, im Gestank der Raffinerie, wie im Räucherstäbchen. Nur die vom ewigen Geist geschaffenen Glaubenssysteme, die wir als "ich" ansehen, unterscheiden hier mit ihren Wertesystemen. Alles ist, wie es sein soll. In jedem Augenblick.  Nicht zuletzt, damit wir uns über unsere Entrüstung wieder selbst finden können: Im Anderen, im Gegenüber: dem uneinsichtigen Nachbarn, dem gierigen Banker, dem unzufriedenen Kunden, dem falschen Guru und dem nörgelnden Chef. Als Mensch können wir uns entscheiden, den Weg unverändert weiter zu gehen, also zu leben wie es eben ist - den Traum so zu lassen, in den wir hineingeboren sind. Oder wir entscheiden uns dazu, etwas zu ändern.

Doch was sollen wir ändern, wenn doch alles so recht ist, wie es ist?

Die Kontemplation, bringt uns wieder in die Erfahrung einer  unfasslichen, alles übersteigenden und unaussprechlichen Wirklichkeit. Indem wir diese Erfahrung machen, erkennen wir, dass wir von nichts getrennt sind. Nicht vom anderen, nicht vom Himmel, nicht von der Erde und schon gar nicht vom Geist. Wir erkennen, dass unsere persönliche Existenz allein vom Vorhandensein eines Bewusstseins abhängt.

In der Satori-Erfahrung steckt die Gewissheit, dass es keine Unterschiede zwischen dem großen Geist und dem personalen Geist gibt. Allein der Unglaube, nicht eins mit dem großen Ganzen zu sein und der Glaube an die Nicht-Beteiligung an dem "So-sein" der wahrgenommenen Welt, erzeugt die Trennungen.

Nehmen wir diese Begriffe aus unserer Sprache ernst und verstehen sie richtig, dann endet mit der Erfahrung des Satori auch die Illusion der Unschuld.

Die wahrgenommene Welt ist im Gefüge der Schöpfung des großen Geistes ausnahmslos ein Weltengebäude der eigenen Glaubenssätze, egal ob wir ihre Eigenschaften für positiv oder negativ halten.

Satori bringt uns in diese Erkenntnis und setzt die Bestürzung frei, die dieser Erkenntnis innewohnt. Aus dieser Bestürzung heraus schöpfen wir die Kraft zur Veränderung. Doch nicht der Rückzug in den Elfenbeinturm der inneren Glückseligkeit sollte die Folge sein, sondern das tatkräftige Hineinstürzen in den Alltag der Welt. Nur hier kann die Wirklichkeit "durchtönen" und als Folge Denken und Handeln verändern. "Per sonare", das Durchklingen des allumfassenden Geistes kann nur erfolgen, wenn die Person dafür transparent geworden ist. Diese Transparenz entwickelt sich von allein mit dem Zurücktreten des "Egos". 

Die Anerkenntnis des Mitschöpfertums an der Welt, wie sie ist, mobilisiert die Kräfte zur Veränderung. Die Veränderung, die eine Satori Erfahrung in uns Menschen auslöst, ist nicht "unsere" Veränderung, sondern die Veränderung, die das Unveränderliche in uns zum Vorschein bringt. Diese Erfahrung  übersteigt unser menschliches Fassungsvermögen und deshalb sprechen wir dann oft von "Gnade".  Etwas, das wir ohne eigenen Verdienst oder Zutun erhalten. Der große Geist selbst verändert sich durch diese Erfahrung, die er in seiner Form als Mensch macht. Nicht dieses weltliche "ich" des Menschen wird angehoben in eine neue Bewusstseinsebene, sondern der große Geist scheint umso heller durch das Gefäß des Menschen hindurch. Indem sein Licht heller erscheint, verblasst das weltliche Ich des Menschen, wie eine Kerze neben einem Scheinwerfer. Wie kann es da noch ein menschliches Ego geben? Wie eine Sünde oder eine Verfehlung? Der Mensch ohne Ego, erkennt sich selbst in der Vielheit der Formen, gespiegelt als Schöpfung - wie alles andere auch. Er begreift sich selbst als Avatar des allumfassenden Geistes, der  die Schöpfung durch seine Anwesenheit verändert. Er erkennt, dass die unzähligen Formen im Bewusstsein, die Vielfalt der menschlichen Welt strukturiert. 

Satori - die große Erfahrung. Das Einwurzeln in das, was du bist.

 

Meist merken wir erst, wenn wir uns zum ersten Mal zum Meditieren setzen, wie sehr wir von unserer eigenen Unruhe hin und her gezerrt werden. Wir müssen uns eingestehen, dass wir vor lauter neuen Angeboten aus dem Innen und Außen gar nicht zur Ruhe kommen. Das "ich" hat sich verselbstständigt und bombardiert uns mit allen möglichen Impulsen, Gedanken, Erinnerungen und Sorgen.  Durch diese Unruhe werden wir wie von einer anderen Kraft gelebt. Im Alltag sorgt das "ich" nur für sich und beschäftigt uns mit Sorgen über Geld, Haus, Familie, Kinder und allen möglichen Problemen, die scheinbar gelöst werden müssen. In diesem geistigen Wirrwarr kommen wir nicht zur Ruhe, ja wir setzen sogar oft schon voraus, dass diese Menge an Objekten für ein erfülltes Leben unabdingbar sind und es schlecht für uns wäre, wenn sie aufhören.

Wir erfahren uns durch dieses Chaos als immer getrennter von allem anderen und es erscheint völlig absurd, das Trennung eine Illusion sein soll.

Wir müssen feststellen, dass unser "ich" alles, was seine Herrschaft bedroht, massiv bekämpft und alles, was sein Macht wachsen lässt, saugt es begierig auf.  Das "Größer, Höher, Weiter" ist so schon zu einer akzeptierten Lebensmaxime geworden. Doch kein Baum wächst endlos in den Himmel. Wird er zu groß und findet er in dieser Welt keine Balance mehr. Seine Äste brechen ab oder er kann dem Druck des Windes nicht mehr standhalten und wird entwurzelt.  

Viele entwurzelte Menschen laufen herum und suchen verzweifelt danach, wieder neue Wurzeln ausbilden zu können. Doch das "ich" lässt es nicht zu. Es weiß, wie gefährlich ihm ein gut eingewurzelter Mensch wird. So hört es nicht auf, den nach Meditation strebenden Menschen zu malträtieren, ihn mit allem abzulenken,  was ihm zu Gebote steht. 

Mach Schluss damit. Lass dich von dem kleinen "ich" in dir nicht länger gängeln. Es ist einfacher als du denkst. Besuche jeden Tag für eine halbe Stunde deinen kreativen Raum und lasse nicht zu, dass sich dort Objekte zeigen. Lasse nicht zu, dass andere Gedanken aufkommen, als die Absicht, den Raum leer und dunkel zu halten. Werde offen und weit! Dann wende dich deinem Alltag zu!

 

alles liebe

Hans

Dieser Blog-Text ist ein Extrakt aus meinem Hörbuch:  "Kontemplation-die Stille am Ende der Antworten". Hier ist es in voller Länge (58 Minuten) kostenlos anzuhören: