Leeres Bewusstsein
Ein leeres Bewusstsein entsteht durch einen Akt der Gnade. Sicherlich ist es möglich mit Meditation, Methoden und Techniken die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen, aber das Entstehen eines leeren Bewusstseins liegt nicht in der Macht des menschlichen Willens.
Der Zustand "leeres Bewusstsein" kann mit nichts hergestellt werden. Jeder Versuch in diese Richtung scheitert und bringt nur ein weiteres zwanghaftes Denksystem oder einen verfestigten Glaubenssatz hervor. Der Zustand des leeren Bewusstseins entsteht allein aus der Gnade des Geistes, die Bewusstseinsinhalte eines Menschen zu löschen und ihn so neu zu gebären. Diese geistige Neugeburt geht nicht ohne massive Änderungen an der bisherigen Person vonstatten.
Die Veränderungen ähneln dem, was wir in unserer Unbewusstheit gerne als "psychische Störungen" bezeichnen. Die Entstehung des "leeren Bewusstseins" ist gekennzeichnet von intensiven psychosomatischen, körperlichen und außergewöhnlichen emotionalen Erfahrungen.
Der geistige Geburtsprozess muss deswegen von einem erfahrenen Menschen begleitet werden, denn die emotionalen und körperlichen Effekte lassen im Betroffenen starke Ängste und Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit entstehen. Ein weiser Begleiter kennt diese Effekte und kann beruhigend und helfend darauf einwirken.
Die meisten Menschen, die so neu geboren wurden, haben die Erfahrung des "leeren Bewusstseins" ohne Vorwarnung, spontan und plötzlich gemacht. Sie haben gefühlt, wie sie von einer höheren Kraft zerbrochen und wieder neu zusammengesetzt wurden. Dabei blieb kaum etwas von dem an seinem Platz, was sie von sich selbst kannten. Eine Zeit der Neuorientierung und Unsicherheit schloss sich an. Eine Zeit, in der die Suche nach Erklärungen das Wichtigste wurde, was sie tun konnten.
Auch hier ist ein weiser Begleiter von unschätzbar wichtigem Wert.
Wenn der Geburtsprozess einmal angelaufen ist, kann er durch keine weltliche Macht mehr angehalten werden. Er muss zu Ende laufen, selbst wenn das mehrere Monate oder Jahre dauert und den Betroffenen an die Grenze seiner Kräfte bringt. Nur, wenn die geistige Geburt vollständig abgeschlossen wurde, bleibt das leere Bewusstsein zurück. Ein Bewusstsein, das einem sternenlosen Himmel gleicht, indem hier und da Gedanken aufleuchten, bleiben bis sie nicht mehr gebraucht werden und dann wieder erlöschen. Dieses Bewusstsein ist angefüllt mit Wissen, das die Person zuvor nicht abrufen konnte, das aber jetzt jederzeit zur Verfügung steht. Es ist jedoch kein Wissen, wie wir es üblicherweise kennen.
Es kann im üblichen Sinne nicht gelernt werden und es bezieht sich vornehmlich auch nicht auf die weltlichen Dinge. Es ist ein immerwährendes Gewahrsein und eine emotionale Verbindung mit allem was ist. Menschen, die diese Gnade erfahren haben sind mitten unter uns. Sie entstammen nicht immer einer spirituellen Schulung. Sie tragen keinen Heiligenschein oder sonst ein erkennbares äußeres Zeichen. Solche Menschen sind daran zu erkennen, dass sie Authentizität und Liebe ausstrahlen. In ihrer Nähe fühlen sich Menschen, Tiere und Pflanzen wohl und gedeihen. Menschen, die diese Gnade erfahren haben, sind meistens still und lächeln. Sie sind ruhig und ziehen sich aus dem Getriebe der Welt zurück, ohne sie zu meiden. Sie haben es nicht mehr nötig an sich zu denken, denn ihre innige Verbindung mit allem was ist, sorgt dafür, dass sie alles bekommen, was zu ihrem Wohlbefinden nötig ist. Sie müssen darum weder bitten noch beten. Aus ihrer Präsenz strömt die Kraft der Dankbarkeit und ihre Ausstrahlung kann in anderen Menschen den Funken zu deren Geburt zünden. Sie sind die idealen Begleiter. Hebammen des Geistes, die ihre ganze Kraft darauf ausrichten, dass eine geistige Geburt vollständig erfolgt.
Leeres Bewusstsein ist ein Bewusstsein, das einem sternenlosen Himmel gleicht
und eine emotionale Verbindung mit allem was ist.
Menschen mit leerem Bewusstsein sind trotzdem schwer erkennbar, denn sie vermeiden ins Rampenlicht gerückt zu werden. Sie wirken im Stillen, in der Domäne des Geistes, im Dunklen und Unsagbaren und gehen wortreichen Diskussionen aus dem Weg. Sie kommen nicht über bunte Marketingplakate in unser Leben, nicht über klangvolle und berühmte Namen, sondern sie kreuzen einfach unerwartet unseren Weg. Das kann beim Einkauf im Supermarkt genauso passieren, wie am Arbeitsplatz, beim Sport, im Krankenhaus oder in einem Meditationsseminar.
Eine Begegnung mit ihnen ist nicht immer lieb und nett, aber sie hinterlässt einen emotionalen Eindruck, der sich nicht einfach so wieder wegwischen lässt. Dabei ist es gleichgültig ob dieser Eindruck durch eine laute Auseinandersetzung oder eine harmonische Begegnung ausgelöst wurde.
Menschen, in denen ein leeres Bewusstsein existiert, haben eine Ausstrahlung, die nur für jene spürbar ist, die entweder selbst diese Erfahrung gemacht haben oder auf ihrem Lebensweg im Begriff sind, sich der geistigen Geburt zu nähern.
Ein "leeres Bewusstsein" ist natürlich eine Metapher, denn in dieser Welt kann niemand sein, dessen Bewusstsein vollständig ohne Inhalt ist. Die vollständige Leere ist eben vollständig leer - somit gäbe es auch keine Welt und keine Person, die eine Welt und sich selbst erfahren könnte. Trotzdem ist die Wirkungsweise eines "leeren Bewusstseins" unterschiedlich zu allen anderen Bewusstseinszuständen. Gedankenfolgen unterliegen der jeweiligen Intelligenz und deren Logik, aber sie sind nur vorhanden, wenn sie gebraucht werden. Sie tauchen auf und verschwinden wieder im üblichen undifferenzierten Zustand des Bewusstseins, in dem es weder Gedanken, Bilder oder Empfindungen gibt.
Erst durch eine klare Resonanz auf ein anderes Lebewesen oder eine Situation wird es wieder aktiviert. Stellt man einem geistig Wiedergeborenen eine Frage, antwortet er offensichtlich ganz normale Dinge. Schaut man sich seine Antworten jedoch genau an, enthalten sie nicht nur die offensichtlichen Antworten, sondern auch Resonanzen auf die in der Frage mitschwingende Überzeugungen des Fragenden. Meist ist sich der Fragende dessen aber gar nicht bewusst und so kann er oft nur über die gegebene Antwort staunen.
Diesen Effekt nennt man auch ein spiegelndes Bewusstsein. Ein leeres Bewusstsein ist so klar, dass darin nur das reflektiert, was hineinleuchtet. Es gibt allerdings eine große Bandbreite an Klar- und Leerheit. Nicht jede geistige Geburt ist bereits abgeschlossen und nur in seltenen Fällen erlöschen alle Inhalte vollständig. Doch je mehr Restinhalte vorhanden sind, desto verzerrter wird die Spiegelung, weil es eben keine vollständige "Leerheit" gibt. Daher unterscheidet sich das "normale" menschliche Bewusstsein vom "leeren Bewusstsein" einzig durch die Menge der Inhalte.
Viele Inhalte sorgen für eine vielfache Brechung der Spiegelungen und machen sie so unerkennbar.
An diese Unerkennbarkeit haben wir uns so sehr gewöhnt, dass ein "normales" Bewusstsein oft nicht erkennen kann, dass es mit einem geistig weiterentwickelten Bewusstsein kommuniziert. So kann es dann auch nicht begreifen, dass die gegebenen Antworten und die ganze Situation des Gesprächs, einzig und allein vom normalen Bewusstsein bestimmt wird. Es erkennt die Spiegelung nicht und hält irrtümlich die gegebene Antworten für die Meinung des Antwortenden. Der Fragende projiziert seinen eigenen Zustand auf das klare Bewusstsein und geht so auch seinen eigenen Illusion und Glaubenssätzen auf den Leim. Vielleicht bemerkte deswegen Laotse einst:
"Der Sprechende mag ein Narr sein. Hauptsache der Zuhörer ist weise!"
So, wie das Erlangen eines leeren Bewusstseins ein Gnadenakt ist, so ist auch das Zusammentreffen mit einem solchen kein Zufall. Solche Begegnungen tragen immer schicksalhafte Züge. Manchmal sind es nur ein paar hingeworfene Worte, die in wenigen Sekunden ihre Wirkung tun, manchmal entsteht ein gemeinsamer Lebensweg, der vielleicht über viele Jahre andauert. Immer ist es eine größere Intelligenz, die derlei Zusammentreffen arrangiert. Mal wird damit bezweckt, jemanden in seiner Entwicklung zu begünstigen, mal jemanden daran zu hindern einen Weg zu beschreiten, der jetzt für ihn noch nicht gangbar ist.
Je mehr sich ein Mensch wünscht, den Zustand der Leere zu erfahren, desto wahrscheinlicher wird es, dass er mit einer "Hebamme des Geistes" zusammentrifft. Dann kommt es darauf an, ob er in der Lage ist, seine Chance zu ergreifen oder ob er sein Gegenüber als Klugscheißer oder Besserwisser unerkannt weiterziehen lässt. Ist er der Stimme seines Herzens bereits gewahr, wird es ihm nicht schwer fallen die Hinweise des leeren Bewusstseins anzunehmen. Andernfalls wird er sich abwenden und weiter im Gestrüpp seiner Illusionen nach Antworten suchen.
Ähnliches gilt auch, wenn die Spiegelfähigkeiten zweier Menschen zu unterschiedlich sind. Sie können sich nicht mehr erkennen und die Verständigung endet. Als Folge werden sie sich voneinander entfernen. In einer Schüler/Lehrer Situation kann das dazu führen, dass der Schüler seinen Lehrer nicht mehr annehmen kann und anfängt ihn zu verurteilen. Andererseits ist es auch ein Schutz vor all jenen Möchtegern-Lehrern, die keine eigene geistige Neugeburt erlebt haben und glauben mit Wissen ans Ziel zu kommen. Es gibt viele Wege sich auf seine geistige Geburt vorzubereiten, die oft auch mit Erleuchtung bezeichnet wird, aber am Ende des Weges, dort wo Gottes Ewigkeit leuchtet, dort schickt der Geist immer eine leeres Bewusstsein zur Begleitung. Am Ende des weltlichen Selbst gibt es nämlich keine Möglichkeit mehr, das bekannte Bewusstsein zu behalten und sich vor dem Aufgehen in die bedingungslose, allumfassende Liebe zu sperren.
alles liebe
Hans