Der Spiegel des Tamagotchi

Der Spiegel des Tamagotchis

Heutzutage sind wir es gewohnt, sofort auf Informationen zugreifen zu können. Maschinen liefern die Antworten auf unsere Fragen. Ob es sich dabei um Handys, Notebooks, Tablets oder Radios und Fernseher handelt, ist nebensächlich. Doch mittlerweile stellen wir Maschinen nicht nur Fragen zum Wetter, zu Restaurants oder Nachrichten, sondern auch zu wissenschaftlichen und existenziellen Lebensfragen.

Mit der Entstehung der künstlichen Intelligenz hat sich diese Art der Informationsbeschaffung über die ganze Welt ausgebreitet und steht jedem Menschen kostenlos zur Verfügung. Ich möchte nun eine besondere Frage aufgreifen, die bereits von vielen Menschen an ChatGPT, Claude, Gemini und ähnliche Systeme gestellt wird und auf der ich meinen Gedankengang aufbauen möchte.

Die Frage lautet: „Was ist der Sinn des Lebens, der Grund für unser Dasein?“

Maschinen, die auf solche Fragen antworten, wurden entwickelt, um Informationen zu verknüpfen, Texte zu erstellen und nützliche Antworten zu liefern. Diese Orakel-Maschinen werden für eine Generation wichtig, die oft zwischen Überforderung und Orientierungslosigkeit schwankt und nicht weiß, wie sie mit dem umgehen soll, was auf sie zukommt. 

Doch was bedeutet diese Frage, wenn man sie nicht dem eigenen Herzen, einem spirituellen Lehrer oder einem Philosophen, sondern einer Maschine stellt?

Vielleicht wünscht man sich einfach eine klare Antwort von jemandem, der frei von Widersprüchen, Gefühlen und Eitelkeiten ist. Eine Antwort, die neutral ist, ähnlich einem Gesetz oder einer Formel: klar und präzise. Etwas, nach dem man sich richten kann – eine Richtschnur fürs Leben?

Es wird besonders interessant, wenn man eine objektive Antwort auf eine sehr persönliche und damit subjektive Frage sucht. Das sagt viel über den Zustand unserer heutigen Zeit aus. In der wir viel zu oft damit beschäftigt sind, uns mit anderen zu vergleichen, uns zu verbessern und logisch und nachvollziehbar zu denken.

Alles soll messbar, planbar und kontrollierbar sein.

Früher, bevor die Idee aufkam, dass das gesamte Wissen der Menschheit in Maschinen verfügbar sei, haben Menschen über den Sinn des Lebens gesprochen, reflektiert und meditiert. Heute schreiben wir diese Fragen in ein Eingabefeld und hoffen, von künstlicher Intelligenz schnelle und effektive Antworten zu erhalten. Wenn uns die Antworten dann nicht gefallen, formulieren wir unsere Fragen so lange um, bis wir mit den Antworten zufrieden sind.

Darin liegt die erste Wahrheit: Wir haben verlernt, unsere Fragen mit uns selbst auszuhalten. Wir sind eher bereit, einer Maschine zuzuhören, als der stillen Stimme in uns, die uns unsere Antworten empfinden lässt. Nicht als fertige, effektive Lösung, sondern als wachsende Reaktion auf unser Leben stellen mehr Menschen als je zuvor diese Frage. Sie stellen sie in dieser komplizierten Welt, weil ihnen Sinn und Bedeutung abhandenkommen sind und die KI ihnen eine schnelle Bedürfnisbefriedigung verspricht.

Doch was passiert, wenn ein Algorithmus dir sagt, dass der Sinn des Lebens Wachstum, Liebe oder die Weitergabe von Wissen ist? 

Reicht dir das?

Oder fühlst du dich danach noch leerer als vorher?

Wenn du ChatGPT nach dem Sinn des Lebens fragst, erhältst du normalerweise eine gut formulierte und ausgewogene Antwort wie diese:

 

 „Der Sinn des Lebens ist für jeden Menschen eine persönliche Frage. Für manche Menschen liegt der Sinn in Beziehungen oder in persönlichem Wachstum, für andere im Streben nach Glück, Wohlstand, Gesundheit oder in der Suche nach spiritueller Erfüllung.“

Dieser Text liegt als Audiodatei in der Soundcloud vor

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