Grenzen des Willens

 

 

Wenn wir uns etwas länger mit dem Bewusstsein beschäftigen und auch Erkenntnisse mit einbeziehen, die nicht der Schulwissenschaft zuzurechnen sind, stoßen wir früher oder später auf die Idee, dass wir mit unserem schöpferischen Geist selbst unsere Realität erschaffen. Mit Realität ist dabei unsere gesamte Erlebenssphäre gemeint, also nicht nur die faszinierende „Außenwelt“, die wir so gerne unter Kontrolle bringen würden, sondern auch unsere subjektive Innenwelt. Die Welt unserer Freuden und Ängste, des Mutes und der Scham.

 

Die meisten Bestseller  wie "Gespräche mit Gott", "Bestellungen beim Universum", "Das LOLA-Prinzip" oder "Kraftzentrale Unterbewusstsein" greifen die reizvolle Idee auf, die eigene "Wirklichkeit" mental zu steuern. Der Weg zum Glück rückt damit greifbar nahe und scheint nur noch eine Frage der gezielten Lenkung der eigenen Schöpferkraft zu sein.  

Doch wie realistisch ist diese Einschätzung? 

In der aufregenden Welt der Quantenphysik enthüllt sich ein bemerkenswertes Phänomen: Die Grenze zwischen Wirklichkeit und Bewusstsein verschwimmt. Elementarteilchen, die Bausteine unserer materiellen Welt, offenbaren sich nicht als feste Objekte, sondern als Schwingungen der Wahrscheinlichkeit. Erst durch den Akt der Beobachtung manifestiert sich ein solches Partikel an einem bestimmten Ort. Wie genau dieser Übergang von der virtuellen zur realen Welt erfolgt, bleibt ein faszinierendes Rätsel.

Traditionelle Interpretationen wie die "Kopenhagener Deutung" stoßen an logische Grenzen, weshalb alternative Erklärungen entwickelt wurden. Eine besonders aufsehenerregende Theorie ist die "Viele-Welten-Deutung", die von zahllosen parallelen Realitäten ausgeht. In jedem dieser Universen besitzen Elementarteilchen klare Eigenschaften, die sich jedoch überlagern, solange keine präzise Beobachtung stattfindet. Der Beobachter spielt dabei eine entscheidende Rolle: Durch seine Aufmerksamkeit wird eine Realität ausgewählt, während andere in den Hintergrund treten – ein faszinierender Prozess der Bewusstseinsschöpfung.

Wie ist es möglich, dass mehrere Realitäten gleichzeitig existieren?
Die Physik bietet eine erstaunliche Erklärung: Durch zusätzliche Dimensionen. So wie sich in der dritten Dimension beliebig viele zweidimensionale Flächen übereinander stapeln lassen, können in einem höherdimensionalen „Überraum“  beliebig viele dreidimensionale Räume ineinander existieren. Eben zahllose Varianten eines Universums. So eine Struktur nennt man ein Multiversum. Das Multiversum enthält alle möglichen Varianten unseres Universums und so finden auf verschiedenen Zeitlinien, sämtliche unserer Entwicklungsgeschichten Platz. Es ist tatsächlich so, dass dein Bewusstsein die Realität aktiv formt, indem es aus den unzähligen Varianten des Multiversums deine persönliche Wirklichkeit auswählt. Du bist der immaterielle Beobachter, der durch dieses vielschichtige Multiversum wandert und an jeder Position seines Weges eine neue Version der Welt erlebt – einschließlich  deiner  eigenen Existenz. Die sinnvolle Anordnung dieser erlebten Wirklichkeiten ergibt das, was wir als Zeitablauf erleben und unsere Geschichte nennen.

Wie navigieren wir uns durch diesen Raum grenzenloser Möglichkeiten? 

Die Antwort könnte in den erstaunlichen Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen liegen: Experimente zeigen, dass das Bewusstsein tatsächlich einen direkten Einfluss auf die Realität ausübt. In Versuchen, bei denen Probanden per Zufallsprozess erzeugte Zahlen beeinflussen sollten, wurden signifikante Verschiebungen des Mittelwerts festgestellt. Obwohl dieser Effekt minimal war und erst bei einer Vielzahl von Versuchen erkennbar wurde, tendierten die meisten Teilnehmer dazu, den Mittelwert in die gewünschte Richtung zu verändern.

Gibt es eine gezielte Steuerung unserer Realität? 

Untersuchen wir die faszinierende Beziehung zwischen Bewusstsein und Realität und wie wir aktiv darauf Einfluss nehmen können, kommen wir zur transaktionalen Deutung der Quantentheorie. Sie bietet eine spannende Perspektive auf die Idee paralleler Realitäten. Nach dieser Theorie sendet jede bewusste Wahrnehmung Wellen im Möglichkeitsraum aus, die sich sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit erstrecken. Wenn eine zukunftsgerichtete Welle auf eine "passende" Welle trifft, die aus einer der zahllosen möglichen Zukunftsvarianten stammt, kommt es zu einer Modulation dieser Wellen. Dies führt rechnerisch zu einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein zur Wahrnehmung passendes Ereignisse eintritt. Somit erscheint für jedes Individuum diejenige Zukunftsvariante am plausibelsten, die mit seiner aktuellen Wahrnehmung übereinstimmt.

So lenkt uns unsere Wahrnehmung durch das Multiversum, indem wir nicht nur wahrnehmen, sondern durch unsere bewusste Aufmerksamkeit auch unsere Realität gestalten. Theoretisch könnte unser Bewusstsein jede erdenkliche Realität erzeugen und somit unser Schicksal wählen. Doch in der Praxis gibt es hier starke Einschränkungen: Unsere Realität muss gewissen logischen Anforderungen entsprechen, um widerspruchsfrei zu bleiben und wir werden durch den ständigen Informationsaustausch mit unseren Mitmenschen auf mehr oder weniger parallelen Pfaden durch das Multiversum geführt.

Unser gemeinsamer Realitätsrahmen spiegelt die gewählte  Erlebenssphäre des kollektiven Bewusstseins der Menschheit wider. Dieses wiederum ist Teil einer noch umfassenderen Bewusstseinsstruktur, die bis zum allumfassenden Bewusstsein reicht, das man als "Gott", "Alles-was-ist", "Urquelle" oder "Kosmos" bezeichnen könnte. Doch diese höchste Ebene des Bewusstseins umfasst alles und ist daher strukturlos, da die Überlagerung aller möglichen Realitäten ein Rauschen ohne Informationsgehalt ergibt. So wie die gleichzeitige Überlagerung endlos vieler Radiosender nur Rauschen erzeugt.

Gemäß den Lehren des Hinduismus, Buddhismus und auch Taoismus ist Brahma, das Tao oder das höchste Prinzip, Gott, eine endlose Leere. Doch aus dieser Leere entspringen unzählige Manifestationen, wie Laotse sagt: "Aus der Leere kommen tausend Dinge". Indem sich das allumfassende Bewusstsein in Teilaspekte spaltet, entstehen Strukturen und das ist die erlebte Wirklichkeit. Somit sind wir nicht einfach Aspekte Gottes, die aktiv an der Schöpfung teilhaben, sondern gleichzeitig auch deren Erzeuger.

 

Je stabiler ein Aspekt der Wirklichkeit, desto umfassender ist die Bewusstseinsebene, die für seine Erschaffung verantwortlich ist. Das individuelle Bewusstsein jedes Lebewesens, sei es noch so klein oder mächtig, trägt zur Stabilisierung dieser Wirklichkeit bei. Wie die einzelnen Sandkörner erst einen Strand ermöglichen. Sie unterliegen dabei einem Prinzip, das einen Regelkreis darstellt. Es hält unsere Außenwelt in normalen Bahnen, basierend auf unserem Glaubenssystem: "Ich sehe, was ich glaube – und ich glaube, was ich sehe!"

 

Das bedeutet jedoch auch, dass durch ein flexibleres Glaubenssystem Wunder möglich werden. Berichte über Wundertäter und Erfolge aufgrund der Anleitungen diverser Bestsellerautoren legen nahe, dass es jedem möglich ist, die Flexibilität seiner Wirklichkeit zu erweitern und erstaunliche Ergebnisse zu erzielen. Dies kann bis zur Aufhebung von Naturgesetzen reichen, indem das individuelle Bewusstsein seinen üblichen Rahmen sprengt und auf einer höheren Ebene wirkt. Vor allem, wenn sich dieser Rahmen auf die Gestaltung der inneren Realität bezieht. Künstler wie Salvatore Dali, Johann Sebastian Bach, Leonardo Da Vinci oder Albert Einstein legen von solchen Rahmensprengungen Zeugnis ab. Letztlich besteht der Unterschied zwischen Mensch und Gott nur in einer Wahrnehmungsperspektive, da unsere gesamte Erlebenssphäre ein Aspekt des göttlichen Bewusstseins ist. 

 

Warum nun fällt es uns so schwer, die Wirklichkeit zu erschaffen, die wir uns wünschen und warum gelingen kleine Modifikationen der Realität eher als die „wirklich wichtigen“? 

Es ist das genannte Regelprinzip in Gestalt unserer Überzeugungen, das uns im Wege steht. Es basiert auf biologischen Funktionen unseres Gehirns. Mit der einstmaligen Entscheidung uns als "Seele" eng an einen materiellen Körper zu binden, ging auch die Einwilligung in das Regelprinzip einher und  unsere Wahrnehmung nur auf die Informationen zu beschränken, die das Gehirn aus der Sensorik dieses Körpers bezieht, sondern auch neue Informationen anhand der vorhandenen zu bewerten und entweder zu speichern oder zu "vergessen". So entstand eine faszinierende Verbindung zwischen Evolution und menschlichem Verhalten!

Unser Gehirn entwickelte sich im Laufe der Evolution, um das Überleben eines Urmenschenrudels in der Wildnis zu gewährleisten. Trotz des Wandels zur modernen Zivilisation haben diese evolutionären Prägungen nach wie vor einen starken Einfluss auf unsere Gehirnfunktionen. Unsere Instinkte reagieren heute noch weitgehend gleich, wie auf die Gefahren eines gefährlichen Lebens in der Wildnis.

So löst Ablehnung durch andere Menschen in uns die gleichen Instinkte aus wie die Gefahr, aus dem Rudel ausgeschlossen zu werden und den Raubtieren ausgeliefert zu sein. Diese Instinkte sind Ängste, die unsere Wahrnehmung auf drohende Gefahren lenken – seien sie damals real gewesen oder eingebildet in der heutigen Zeit. Diese Ängste wiederum schalten entsprechende Hormonsysteme ein oder aus und lassen den Körper auch dann auf Gefahr reagieren, wenn diese Gefahren nur vorgestellt sind. Dadurch wird es sehr wichtig, zu verstehen, dass unsere Wahrnehmung unsere innere Realität erschafft: Die Realität der Hormone und Neurotransmitter, der elektrischen Impulse und aktivierten Gehirnbereiche. Das ist eine sehr reale biologische Wirklichkeit, der wir machtlos ausgeliefert sind, da alles was wir als "uns selbst" erfahren zunächst ausschließlich durch die innere Realität bestimmt wird.

 

Wir haben keinen wirklichen Grund haben, unglücklich zu sein!

Wir können uns daher noch so oft einen Lottogewinn wünschen, solange dieser Wunsch von der Angst vor Armut oder Fluchtinstinkten vor unserer Tätigkeit geprägt ist und nicht auf der puren Lust am Reichtum basiert, wird unsere äußere Realität weiterhin von diesen Ängsten bestimmt sein und der Lottogewinn natürlich nicht kommen. Solange wir also nicht erkennen, dass wir in der heutigen Zeit keiner wirklichen Gefahr mehr ausgesetzt sind, weil wir in einem endlos großen „Rudel“ mit Sicherheitsstrukturen,  Kontakt- und Hilfsmöglichkeiten leben, wird unsere Erlebenssphäre, unsere wahrgenommene Realität, von unseren archaischen Ängsten bestimmt. Die Erkenntnisse der Glücksforschung zeigen unwiderlegbar: Fast alle unsere negativen Gefühle entstehen durch Irrtümer unseres Gehirns. Daher ist es wenig zielführend, die Außenwelt durch herkömmliche oder esoterische Methoden zu verändern zu wollen, um unsere Probleme zu lösen und glücklich zu sein. Stattdessen liegt die Lösung darin, zu erkennen, dass wir keinen wirklichen Grund haben, unglücklich zu sein. Die "Probleme", die lediglich Konstrukte neuronaler Knoten aus vergangenen Erfahrungen sind, lösen sich von selbst auf, wenn das Gehirn erkennt, dass es nur seine eigenen Informationen sind, die an diesen "Problemen" festhalten.

Wenn wir diese Erkenntnis gewinnen, ändert sich unsere Wahrnehmung der Außenwelt und wir entwickeln eine neue Sichtweise, die nach und nach alte Ängste überwindet. Glücksgefühle stellen sich dann ganz natürlich ein. Manchmal werden sogar Wunder möglich – auch ohne bewusstes Anstreben. In diesem Zustand erkennen wir, dass wir mit allem verbunden sind und alles beeinflussen, ob wir es wollen oder nicht. Wir begreifen, dass es nicht das rationale Denken ist, das die Schöpferkraft lenkt, sondern unsere innere Stimmung. Denn die Schöpferkraft ist reine kosmische Liebe! 

Die Schöpfungskraft, die wir als Individuum sowieso nicht manipulieren können, bringt daraufhin etwas anderes hervor. Wir nehmen eine positiv veränderte Außenwelt wahr und lernen diese neuen Erfahrungen, die dann die Prägungen im  biologischen neuronalen Netz überschreiben. Im Widerspruch zu den plakativen Versprechungen der talerschweren Heilsverkünder ist das ein langsamer und mühsamer Prozess, der sich nicht mal so nebenbei erledigen lässt. Auch wenn unser Gehirn sehr schnell reagiert, sind es viele Milliarden Netzknoten, die da verändert oder neu geknüpft werden müssen. Dazu brauchen wir Zeit. Zeit die wir am besten mit Meditation verbringen. Eine stille Zeit, die den Fokus der Schöpferkraft auf uns selbst legt. So wie jede Nacht im Schlaf, wenn wir völlig angstfrei bewusstlos werden und daraus wieder frisch und munter aufwachen. Wie sollte es auch anders sein, ist die Schöpferkraft doch reine kosmische Liebe!

 

alles liebe

Hans

 

(bild: pixabay AI generated)

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